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Ralf Andreas,
www.welt.de
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Zertifikate mit Rendite-Hebel
Neue Future-Papiere konkurrieren mit Optionsscheinen - Experten
loben bessere Nachvollziehbarkeit der Kursentwicklung...
Von Ralf Andress
...Hohes Risiko allerdings durch K.o.-Effekt:
Die Beteiligung kann bei Unterschreiten eines bestimmten Schwellenwertes
auf einen Schlag wertlos werden
Die Grenze zwischen Optionsscheinen
und Zertifikaten weicht auf. Mit der Einführung von börsennotierten
Future-Zertifikaten dringen die ersten Emittenten jetzt auch hier
in die Domäne der gehebelten Anlagevehikel vor. Der so genannte
"Hebel" bewirkt, dass der Wert des Derivats auf eine
Kursbewegung des jeweiligen Basisinstrumentes überproportional
reagiert - von jeher der Traum des spekulativ ausgerichteten
Anlegers.
Entsprechend groß ist die
Resonanz auf die Produkt-Neuheiten von BNP Paribas und ABN
Amro. "Wir haben extrem viele Kundenanfragen erhalten",
freut sich Christine Dillinger von BNP Paribas, die zunächst
mit einer breiten Palette von LSF-Zertifikaten (Listed Stock Futures)
auf Einzelaktien gestartet ist. Kurz darauf folgte ABN Amro mit
einem Sortiment von Indizes, auf die sogenannte "Turbo-Zertifikate"
emittiert wurden. Deren Funktionsweise entspricht der der LSF's.
Entscheidend in beiden Fällen
ist die K.o.-Barriere, bei deren Erreichen die Papiere
unabhängig von der festgesetzten Laufzeit wertlos werden.
Dem erhöhten Risiko stehen überdurchschnittliche
Gewinnchancen gegenüber, da der Anleger lediglich den
Kursanteil oberhalb dieser Barriere aufbringen muss, aber trotzdem
zu 100 Prozent an der Kursentwicklung einer Aktie oder eines Indexes
partizipiert. Vereinfacht dargestellt heißt dies im Falle
eines ABN-Turbo-Zertifikates auf den Dax mit Basiswert 3500, dass
für das Zertifikat bei einem Dax-Stand von 5000 Punkten lediglich
15 Euro oder 1500 Cent aufgebracht werden müssen. Klettert
nun der Dax um zehn Prozent auf 5500 Punkte, dann steigt der Wert
des Zertifikats auf 20 Euro (Indexstand 5500 minus Basiswert 3500),
was einem prozentualen Zugewinn von rund 33 Prozent entspricht.
Das Turbo-Zertifikat reagiert also mehr als dreimal so stark
auf die Dax-Veränderung als dies ein "normales"
Indexzertifikat täte.
Im Gegensatz zu Optionsscheinen wird
dieser Hebeleffekt aber nicht durch andere - oft schwer nachvollziehbare
- Einflussfaktoren bestimmt oder verwässert. Dies ist ein
entscheidender Vorteil, da die bei Optionsscheinen oft eingeschränkte
Hebel-Wirkung bei weniger geschulten Anlegern immer wieder für
Verwirrung und Ärger sorgt. "Bei diesen Zertifikaten
sind Hebel und Preis sehr viel leichter nachzuvollziehen, da viele
der Preisbildungsfaktoren von Optionsscheinen hier keine Rolle
spielen", erklärt Stefan Gresse von der ABN Amro. So
müssten Anleger weder den Zeitwert noch die Volatilität
im Auge haben, sondern könnten im Grunde einfach den ausgewiesenen
Basispreis vom aktuellen Indexstand abziehen und kommen damit
schon sehr nahe an den aktuellen Kurs des Zertifikates heran.
Ganz ohne Variablen kommen aber auch
diese Produkte nicht aus. Sie verbergen sich in dem Aufgeld,
mit dem der nicht erbrachte Kapitaleinsatz unterhalb des Basiswertes
finanziert wird. Der fällige Zins wird mit den erwarteten
Dividenden verrechnet, wobei sowohl ABN Amro als auch BNP Paribas
die für Privatanleger nicht zugänglichen günstigen
Interbanken-Zinssätze heranziehen. In der Praxis bedeutet
dies, dass der tatsächliche Preis des Zertifikats leicht
über der Differenz zwischen aktuellem Kurs und Basiswert
liegt. Das Aufgeld ist allerdings nicht mit einmalig erhobenen
Ausgabeaufschlägen bei anderen Anlageprodukten vergleichbar,
sondern wird über die Laufzeit kontinuierlich abgebaut.
Bei einem vorzeitigen Verkauf erhält der Anleger folglich
einen Teil des beim Kauf erbrachten Aufgeldes wieder zurück.
"Wir gehen davon aus, dass diese Produkte vor allem für
kurzfristige Engagements verwandt werden, daher scheint die Beeinträchtigung
durch den Zinsaufwand eher gering", sagt Gresse.
Dem Reiz des Hebels tut der Zins tatsächlich
keinen Abbruch. Dabei gilt: Je näher der aktuelle Börsenkurs
am Basiskurs, desto größer der Hebeleffekt, aber eben
auch die Gefahr, dass die Schwelle unterschritten und damit der
k.o.-Mechanismus ausgelöst wird.
Für diesen Fall haben beide Emittenten
unterschiedliche Vorgehensweisen konzipiert. Bei der ABN Amro
ist zusätzlich zum k.o.-Punkt eine vorgelagerte Stop-Loss-Marke
eingezogen, bei deren Erreichen die Position zum nächstmöglichen
Kurs aufgelöst wird. Den verbleibenden Restwert und das nicht
aufgebrauchte Aufgeld werden dem Anleger erstattet.
Eine solche Marke gibt es bei den LSF-Zertifikaten
der BNP Paribas nicht. Sie werden erst bei Unterschreiten des
ausgewiesenen Basiswertes wertlos. Um dennoch die Realisierung
von Spekulationsverlusten zur Verrechnung gegenüber Gewinnen
zu ermöglichen, garantiert die BNP für die Dauer der
Laufzeit eine Rücknahme der Papiere für einen Zehntel
Cent. Relevant ist bei der BNP dabei allein der Schlusskurs im
Xetra-System. Unterschreitet der Kurs im laufenden Handel kurzfristig
die gesetzte Barriere, bleiben die Zertifikate aktiv.
Und was in der Aufwärtsbewegung
funktioniert, das geht auch bei einem Absacken der Kurse.
Beide Emittenten bieten nämlich sowohl für Bullen als
auch für Bären entsprechende Hebel-Zertifikate an.